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Kaffeesieren mit den Gefühlen 

 November 21, 2021

Von Julia Czarnetzki

Von Julia Czarnetzki

 November 21, 2021

Ich liebe Kaffee!

Ich gestehe: ohne Kaffee gehe ich tot. So kam ich  – mit einem breiten Grinsen im Gesicht – auf den Gedanken, warum nicht einfach „Kaffeesieren mit den Gefühlen“.

„Kaffeesieren“ ist ein typischer Ausdruck in Bremen für's Kaffee trinken und nett plauschen mit Freunden. Ich finde, das trifft es ganz gut. Denn oft schieben wir (mich eingeschlossen) unsere Gefühle weg – sie sind unangenehm oder gerade unpassend. Wir müssen funktionieren. Wir denken das geht jetzt nicht, wir müssen stark sein.

Einen Scheiß müssen wir!

Wahre Stärke zeigt sich für mich darin, Gefühle zuzulassen, ihnen manchmal die Stirn zu bieten oder aus ihnen zu lernen. Manchmal sie auch als Warnsignal des Körpers zu sehen, sie achtsam zu behandeln und nicht wegzustoßen. Gefühle gehören zu uns wie auch unsere Arme und Beine.

Egal – ob Wut, Trauer, Schmerz, Angst – diese Bandbreite an Gefühlen und oft auch die, die wir als „negativ“ empfinden, gehören zu uns und haben ein Recht, da zu sein. Mehr noch als das. Aus den „schlechten Gefühlen“ heraus, die wir in einem Gefühlstief empfinden, entwickeln wir oft ungeahnte Stärken.

Ich habe im Leben erfahren, emotional schwierige Situationen oder Schlüsselerlebnisse passieren aus einem Grund: Sie lassen uns wachsen. Sie verändern uns. Sie machen uns stark. Und manchmal dienen sie auch unserer inneren Heilung.

Die inneren Drachen

Ich nehme dich mit zu meinem „Kaffeeklatsch mit den Gefühlen“, erzähle dir von meinen größten inneren Drachen und wie ich gelernt habe, sie zu reiten. Ja verdammt! Es ist nicht nur einer – es ist gleich eine ganze Drachenarmee ;-).

Übrigens ein tolles, bewegendes Buch:
Die Kunst, einen Drachen zu reiten – Erfolg ist das Ergebnis deines Denkens“ von Bernhard Moestl.

Meine top 5 Gefühlsdrachen und wie ich sie regelmäßig zähme

Einsamkeit

Wie äußert sich das Gefühl Einsamkeit?

In Kurzform: Ich fühle mich schrecklich allein gelassen und habe das Gefühl, ich bin der einzige Mensch auf der Welt, dem es so geht, der allein und furchtbar einsam ist. Ich sehe ausschließlich Menschen, die in diversen Formationen (Paare, Mutter – Kind, Familien, Oma-Opa, Freund-Freundin …) vollkommen nicht einsam sind und glücklich Ihre Zwei- oder Mehrsamkeit zelebrieren. Fast so, als hätten sie sich alle gleichzeitig abgesprochen, mir Ihr Glück zu präsentieren.

Isst du auch so gern wie ich? Dann stell dir vor, du kochst dir ein leckeres Essen zu Haus und hast dann einfach keinen Hunger mehr, weil du es alleine genießen musst.

Um dich herum ist Jubel, Trubel, Heiterkeit – aber in dir ist eine Leere, die sich trotzdem ausbreitet.

Die eigentliche Wahrheit

All das ist nur eine reine Projektion in deinem Kopf. Denn tatsächlich sind auch viele vermeintlich glückliche Paare schrecklich einsam.

Gemeinsam einsam.

Einsamkeit ist ein Gefühl, das einen manchmal auch dann befällt, wenn man sich, trotz anderer Menschen um einen herum, nicht verstanden oder nicht zugehörig fühlt. Man denkt, man ist anders als alle Anderen und keiner weiß oder kann nachempfinden, was in einem gerade für ein Sturm tobt.

Die Realität ist: jeder Mensch fühlt sich manchmal einsam, weil Menschen dazu streben, eben gerade nicht allein zu sein. Sie wollen aus dem Herdendrang heraus einer Gruppe Menschen angehören, die einem gleich sind (Familie, Clique, Gleichgesinnte) und alles dafür geben, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Selbst ich als freiheitsliebender Querdenker, der oft gegen den Strom schwimmt, habe manchmal das Gefühl, einfach „ein Teil des Ganzen“ sein zu wollen, um nicht allein da zu stehen.

Weniger das Gefühl Einsamkeit, eher mal mit sich und seinen Gedanken allein zu sein, ist auch eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich erst in meinem Gap Year in Australien so richtig gelernt habe. Weg vom vertrauten Umfeld, Familie und Freunden lernt man sich selbst sehr gut kennen – oh ja – und auch die Seiten, die man nicht kennen lernen will. Du lernst, was dir guttut, was nicht und wozu man tatsächlich in der Lage sein kann, wenn man muss.

Hilfe gegen Einsamkeit

  • Lass dir nicht die Decke auf den Kopf fallen, sondern mach‘ was und geh raus: genieße die quirlige Stadt oder fahre spontan ans Meer.
  • Lass dich aber nicht zwanghaft zu übersteigertem Aktionismus überreden. Wenn du mit dir und deinen Gedanken allein sein willst und das gerade für dich brauchst, ist es auch ok. Nur eben nicht permanent in Selbstmitleid zerfließen.
  • Hör auf deine innere Stimme und tu einfach das, was dir Spaß macht und dir gerade in dem Moment gut tut.
  • Verbringe Zeit mit vertrauten Menschen, die dich mögen oder lieben, dir wohl gesonnen sind und damit umgehen können, dass du nicht immer die Stimmungskanone Nummer 1 bist. Es kommen auch wieder bessere Momente.
  • Herze kleine Kinder – sie sind pur, unverdorben und erheitern dein Gemüt im Nu.
  • Stelle deinen inneren „Bla-Bla-Radiosender“ mit den Glücks-Stories anderer ab.
  • Schreibe auf, was du fühlst und wenn du eine kreative Ader hast: male, musiziere, texte, singe. In Momenten der Einsamkeit entstehen oft kreative Meisterwerke.
Natur genießen
Geh raus an die frische Luft und mach nur mal die Augen auf. Schau, welche Schönheit die Natur dir bietet.
Bewusst machen
Du bist nicht allein und morgen siehst du die Welt schon wieder in anderen Farben leuchten.
Kreativ sein
Entdecke, was in dir steckt und sei mal wieder kreativ an der Leinwand. Einfach los legen.

Angst

Wie äußert sich das Gefühl Angst?

Angst ist hässlich. Sie legt sich oft wie eine Klemme um meinen Brustkorb und lässt mich gefühlt schwer atmen. Ich spüre Angst so, als schnürt sie meinen Hals ab. Angst ist sehr körperlich bei mir und durch Gespräche über Ängste mit vertrauten Menschen weiß ich, dass es bei vielen auch physische Konsequenzen bis hin zu Panikattacken nach sich zieht.

Es gibt so viele Dinge vor denen Menschen Angst haben. Meine „Highlights“ sind Ängste vor den negativen Folgen einer wichtigen Entscheidung, nicht zu wissen wie alles aus geht und ob es richtig war. Ich habe große Angst vor emotionalen Verletzungen, aber auch umgekehrt davor, mir nahestehenden Menschen weh zu tun oder sie ganz zu verlieren – klassische Verlustängste. Selbst so „banale Ängste“ vor unangenehmen Gesprächen, nicht gut genug zu sein oder irgendwo in einer Menschenmasse erdrückt zu werden, machen mir zu schaffen.

Ängste sind meist irrational, können aber zu großen Problemen werden, weil sie dich hindern, Dinge zu tun oder Momente vollkommen zu genießen. Immer schwingen tausende Szenarien in meinem Kopf herum, was wie sein könnte – das ewige „was wäre wenn“ und am Ende habe ich einfach Angst, die mich lähmt und regelrecht handlungsunfähig macht.

Die eigentliche Wahrheit

Jeder Mensch hat Ängste. Jeder Mensch hat andere Ängste. Kein Mensch ist ohne Ängste.

Das ist das Beruhigende. Die schlechte Nachricht: unbegründete Ängste halten uns oft vor großen Dingen ab. Das ist aber sehr schade, finde ich. Es steckt so viel Potential in uns, das raus will. Übersteigerte Ängste können Menschen auch isolieren und in schlimmen Fällen sogar krank machen. Das ist es einfach nicht wert.

Hilfe gegen Angst

  • Sei ok damit, dass du Angst hast. Nimm deine Angst an. Lass sie ein Teil von dir sein, als warnende Funktion, aber lasse sie nicht Besitz von dir ergreifen. Sie soll dich nicht hemmen, wichtige Schritte nach vorn zu machen.
  • Denk dir einfach: was ist das worst case scenario, was im schlimmsten Fall eintreten kann. Du wirst schnell merken, selbst der worst worst worst case ist oft gar nicht dramatisch und irgendwie lösbar.
  • Der Klassiker für „Phobien“: dich deinen Ängsten stellen. Ich habe zwar nicht direkt Höhenangst, aber die „Angst vorm Fallen“ (im wahren und auch im übertragenen Sinne) war bei mir stark ausgeprägt. Ich habe einen Fallschirmsprung gemacht. Ich hatte die Hosen gestrichen voll, aber habe es gewagt und es war so atem(be)raubend, dass ich es unbedingt nochmal wiederholen will (nächstes Mal mit den Augen auf im freien Fall).
  • Verbringe Zeit mit vertrauten Menschen, die dich mögen oder lieben, dir wohl gesonnen sind und damit umgehen können, dass du nicht immer die Stimmungskanone Nummer 1 bist. Es kommen auch wieder bessere Momente.

Traurigkeit

Wie äußert sich das Gefühl Traurigkeit?

Simple Sache: wenn ich traurig bin, weine ich oder bin einfach in mich gekehrt, niedergeschlagen und kraftlos.

Die eigentliche Wahrheit

Traurigkeit ist ein sehr komplexes Gefühl. Ich bin keine Ärztin, weiß aber, dass Traurigkeit auch unnatürliche, depressive Züge annehmen kann. Ich kann dir empfehlen, dich da selbst etwas zu beobachten. Wenn deine innere Traurigkeit so lang so stark grundlos anhält und auch körperlich wird, in völliger Antriebslosigkeit und Sinnlosigkeitsdenken endet, ist es an der Zeit, dem auf den Grund zu gehen und sich vielleicht nach externer Hilfe umzuschauen.

Ist die Traurigkeit aber ein Gefühl, dass dich dann und wann aufgrund von typischen Situationen des Lebens einholt, ist das völlig normal.

Aber was ist schon normal?

Eine Zeitlang habe ich mich oft „zusammengerissen“ nicht zu weinen, wenn ich traurig war. Ich wollte nicht als hypersensible Heulsuse dastehen. Später, nach etlichen Büchern über den Zugang zu sich selbst und Podcasts von meiner geliebten Laura Maria Seiler, habe ich für mich eines erkannt:

Weinen reinigt den Körper und man muss für seinen Körper sorgen.

Gefühle müssen durch Tränen raus. Die weibliche Spezies ist da durchaus öfter näher am Wasser gebaut, als die männliche Fraktion. Aber ohne schwarz-weiß zu malen, ich denke wir sollten zu unseren Wurzeln zurückkehren: Kinder machen es uns mit einer Leichtigkeit vor.

Sie lassen ihre Gefühle raus, wenn es nötig ist. Sie weinen kurz über das Eis, was sie nicht bekommen oder die aufgeschlagenen Knie. Dann macht man mit Ihnen einen Spaß und alles ist schnell vergessen. Uns Erwachsenen wird über das Leben hinweg antrainiert, die eigenen Gefühle im Griff zu haben, sich zu beherrschen und eine Maske aufzusetzen, um in der Gesellschaft ein gutes Bild abzugeben. Auf die Frage „Wie geht es dir?“ immer mit „sehr gut, danke“ zu antworten.

Warum? Wenn ich traurig bin, bin ich traurig und muss nicht den Clown spielen.

Bei Traurigkeit helfen ähnliche Mittel, wie bei Einsamkeit. Aber dennoch meine besten Hilfegesellen gegen die Traurigkeit und für mehr Freude.

Hilfe gegen Traurigkeit

  • Weinen, wenn es raus muss.
  • Die volle Dröhnung: Schnulzenmusik hören, Schokoeis essen und Liebesfilme gucken.
  • In die Traurigkeit rein gehen und auch mal melancholisch sein. Dein Selbstmitleid dann in Selbstmitgefühl umwandeln.
  • Wieder zulassen, dass du lachen kannst, indem du dich einfach mal im Spiegel anlachst oder das Prinzip der Spiegelneuronen ausprobierst: du lächelst einen sympathischen Menschen an – er/sie lächelt oft zurück.
  • Treat yourself: sei gut zu dir selbst und gönn dir ein leckeres Essen. Vielleicht sogar ein typisches Kindheitsessen wie „Fischstäbchen mit Kartoffelbrei“ oder was du sonst gern mochtest als Kind und auch heute noch. Das triggert positive Kindheitserinnerungen.
  • Um wieder Freude in Dingen zu finden, die dir gut tun, solltest du dich besser kennen lernen und wissen, welche das sind. Mach dir einfach mal Gedanken, in welchen Situationen dein Herz tanzt, du völlig entspannst oder du einfach glücklich bist.

Schmerz

Wie äußert sich das Gefühl Schmerz?

Ich unterscheide mal den körperlichen Schmerz und den seelischen Schmerz. Für ersteres müsste ich wohl ein eigenes Blog rund um den medizinischen Hintergrund kreieren – hätte ich da Expertise. Ok du hast gewonnen, für zweiteres wohl auch.

Aber ich analysiere mal den emotionalen Schmerz.

Wie du in meinem Blog lesen kannst, bin ich ein sehr gefühlsbetonter und sensibler Mensch. Dank eines Morgens, als ich verschlafen in der Bahn saß und den Podcast „Bist du auch hochsensibel?“ von Laura Maria Seiler hörte und zu allen Anzeichen einer Hypersensibilität „ja“ sagen musste, verstehe ich nun besser, warum ich manchen Schmerz einfach stärker fühle, als andere Menschen.

Schmerz kann der Verlust eines geliebten Menschen sein, das Ende einer Beziehung und loslassen zu müssen, das Scheitern in einer beruflichen oder auch privaten Situation, Menschen, die dir unglaublich weh tun, die Sorge um einen wichtigen Menschen, wenn dieser krank ist oder im Sterben liegt. Jeder von uns ist schon durch einer oder mehrere solcher Phasen gegangen und hat diesen tiefen Schmerz in sich gespürt. Bei mir nimmt dieser Schmerz körperliche Ausmaße an und ich verarbeite schmerzhafte Momente intensiv in meinen Träumen.

Die eigentliche Wahrheit

Seelenschmerz kann oft schlimmer sein, als körperlicher Schmerz – zumindest empfinde ich das oft so. Emotionaler Schmerz ist eng verbunden mit dem Gefühl der inneren Traurigkeit und auch Machtlosigkeit. Das Gefühl, nichts tun zu können, den Schmerz irgendwie ertragen zu müssen und das Gefühl zu haben, er wird nie weg gehen, bringt einen manchmal um den Verstand und lässt uns leiden.

Die Wahrheit ist aber: alles vergeht. Auch dieser Schmerz.

Hilfe gegen emotionalen Schmerz

  • Aushalten und weitermachen.
  • Ich bin noch auf der Suche nach dem richtigen Gegengift dafür.
Hast du eines? Dann teile es gern mit mir.

Machtlosigkeit

Wie äußert sich das Gefühl Machtlosigkeit

Das Ende der Riege meiner inneren Drachen besiegelt das Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit. Du hast das Gefühl du kannst nichts tun und musst einfach kampflos annehmen, was da gerade passiert. Du willst – aber kannst nicht, weil der Einfluss nicht oder nicht ausschließlich in deiner Hand liegt.

Machtlos zu sein, ist tatsächlich einer meiner stärksten Drachen im Leben, weil es die Fähigkeit erfordert, etwas anzunehmen ohne aktiv eine Veränderung herbeiwirken zu können. Und das kann ich gar nicht leiden. Ich fühle mich dann schwach und dem Leben ausgeliefert. Ein sehr unschönes Gefühl für mein Kämpferherz.

Die eigentliche Wahrheit

In vielen Situationen (bist auf die liebe Liebe – das ist ein Spezialfall) hast du sehr wohl Einfluss auf die Dinge. Ich denke, man hat niemals Macht über andere Menschen oder sollte den Anspruch hegen. Aber du hast sehr wohl Macht über dich, dein eigenes Handeln und vor allem über deine eigenen Gedanken.

Die Kraft der eigenen Gedanken ist ein Thema, was mich seit der Schulzeit fesselt. Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: nicht alle Gedanken, die wir täglich denken, sind auch real oder treten dann genau so ein. Das wäre ja eine Katastrophe. Mit der Kraft positiver Gedanken und dem Vertrauen in das Universum, kannst du dem Gefühl der inneren Machtlosigkeit Paroli bieten.

Hilfe gegen Machtlosigkeit

  • Versuche, die Situation einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten und mache dir bewusst, was wirklich in deinem Einflussbereich liegt. Werde aktiv und verändere.
  • Kümmere dich nicht um die Dinge, die du definitiv nicht beeinflussen kannst. Das ist verschenkte Energie.
  • Hör auf mit diesem ewigen Kopfkino und konzentriere dich auf die Dinge, wie sie jetzt gerade sind und nicht, wie sie möglicherweise sein könnten, wenn…
  • Mache dir bewusst, welche Macht du tatsächlich über deine eigenen Gedanken hast und wie du mit einem positiven Mindset das Gefühl der Hilflosigkeit und des Nichts-tun-könnens damit verringern kannst.
  • Sei nicht zu stolz: nimm Hilfe an, wenn sie ernst gemeint ist und du sie gut gebrauchen kannst.
  • Vertraue auf dich und deine Intuition.
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